Freitag, 7. Oktober 2016

Ernst Moritz Arndt über Bellman - 1810

Arndt wurde 1769 auf Rügen geboren, das damals zu Schweden gehörte. Er war Schriftsteller, Historiker und auch Abgeordneter der Frankfurter Nationalversammlung. An der neu gegründeten Universität in Bonn wurde er Professor für Geschichte, später Rektor und starb dort 1860.

Außer Österreich, Oberitalien, Frankreich, Belgien und Norddeutschland bereiste er auch Schweden und war ein guter Kenner des Landes. 1806 erschien seine Reisebeschreibung Reise durch Schweden im Jahre 1804“.

Standbild von Ernst Moritz Arndt in Bonn
Er war vermutlich der erste, der in Deutschland etwas über Bellman geschrieben hat.
Auszug aus seiner „Einleitung zu historischen Karakterschilderungen“ von 1810, in der er Bellman ausführlich würdigt:

Bellman ist einer der außerordentlichsten Menschen, die je gelebt haben, man mag ihn unter dem allgemeinen Karakter als Mensch, oder unter dem nationalen Karakter als Schwede ansehen. Er lebte in der lustigsten Zeit des genialischen Gustavs des Dritten, wo jedes Talent der Nation sich rührte und entwickelte.
Dieser Glückliche ist eine im Norden seltene Erscheinung, die seit dem Untergange der alten Skalden nicht mehr gesehen worden ist. Er war ein ächter Improvisatore, oder, richtiger gesagt, ein ächter Begeisterter: keine Gelehrsamkeit, keine Vorbereitung, keine Eitelkeit zu glänzen, keine Absicht etwas zu machen, wodurch unsere heutigen Macher oder Poeten oft so unpoetisch und geschroben sind.

Er lebte genügsam und lustig von einem kleinen Dienst, den ihm die Gnade seines Königs und Beschützers ausgeworfen hatte, spielte seine Laute oder Harfe, war gern bei Wein und fröhlichen Gelagen, wo er von der bacchischen Lust sich oft forttragen ließ, ohne doch das zu sein, was man einen Wüstling zu nennen pflegt. Bei diesen Gelagen unter Freunden, und bei dem vollen Becher, wenn Bacchus Lust ihn überwältigt hatte, kam endlich die heilige apollische Wuth über ihn, und fast alle seine Lieder und Scherze wurden so im Taumel gebohren. Das Sonderbarste ist, daß dieser außerordentliche Mensch bei der Gabe der fröhlichen Kunst auch einer der größten Mimen war. Seine Freunde wissen davon wunderbare Geschichten zu erzählen. Wenn der Wein ihm den heiligen Athem gegeben hatte, suchte er sich erst den Takt zu seinen Gesängen, ahmte diesen und den Klang der verschiedenen Instrumente mit dem Munde und mit den Fingern nach, und sang dazu, was die begeisterte Muse ihm eingab. So improvisierte er halbe Nächte vor seinen Freunden, so vor seinem Könige, bis er endlich gleich einem pythischen oder sibyllischen Orakel erschöpft hinsank. Sein Karakter war treu, fromm, fröhlich, liebenswürdig. 

Das Meiste, vielleicht das Köstlichste seiner unmittelbaren Eingebungen und Ausgießungen der Muse ist verloren; es vertönte mit der Lust und mit der Freude, worin es gebohren war. Er selbst sammelte und bewahrte nichts, doch lief dieses und jenes, theils im Gedächtnisse behalten, theils abgeschrieben und von Hand zu Hand überliefert, unter seinen Freunden rund, und ist in zwei Bändchen herausgegeben. Fast jedes Stück ist mit Musik begleitet, die er theils selbst aus dem Stegereife komponirte, theils aus alten Liedern und Arbeiten anderer Komponisten unterlegte: auch da weht in dem Dichter ein tiefer und ursprünglicher Geist. Außer diesen Liedern und Scherzen aus dem Stegereif hat man von Bellman noch einige ordentlich und absichtlich gemachte Sachen, z.B. geistliche Lieder; aber alle diese tragen den Stämpel an der Stirn, daß sie nicht in so frischem und jugendlichen Geist gezeugt sind, als jene.

Bellman, der mit unsern Dichtern, auch den ersten, wie sie gewöhnlich sind, nichts gemein hat, der mit seiner Kunst nichts sagen noch bedeuten, der mit ihr sich nur ergötzen wollte, war ein eigentlicher Volkssänger. Trotz einem Rembrandt und Teniers mahlte er naiv und treu, was er sah, empfand, und erlebte. Bacchus und Venus, die Freuden der Gelage und die Wanderungen der Menge, das wimmelnde Leben und die wimmelnde Natur, mit den Possen und Karrikaturen gemischt, welche die Wirklichkeit nur zu reich zeigt, waren die Gegenstände seiner Schilderungen. Wie die Satyrn- und Faunen, die Dionysen und Silenen, die Cytheren und Phrynen hier im Norden erscheinen mit ihren Spielen und Trieben, wie die Natur und der Mensch hier ihre wechselnden Bilder und Gestalten zeigen, so hat er sie auftreten lassen."

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